Mit dem Oewerall Festival geht eine in der mecklenburgischen Seenplatte bekannte Festivalcrew aus Berlin neue Wege. Die erste Edition auf einem Acker in Grünz ist ob ihrer Liebe zum Detail geglückt. Einen Wermutstropen gab es aber doch.
Über den Köpfen schlugen Fischreiher mit ihren breiten Schwingen, irgendwo wenige Meter neben einer der Tanzflächen haben viele kleine Wasserlebewesen ihr Zuhause. Die Mücken waren omnipräsent, ihre Stiche aber lange nicht so aggressiv, wie ich es aus dem Süden kenne. Nicht nur die Leute, sondern wohl auch die Insekten sind im Norden einfach etwas netter! Das Oewerall Festival stand in seiner ersten Edition für pure Idylle am “Arsch der Heide”, denn hierher, nach Grünz bei Penkun, verirrte sich wohl kaum jemand, der nicht hier hingehört. Einziges Manko blieb, für August überraschend, das Wetter.
Namen wie Robag Whrume, Be Svendsen, Martha von Straaten und auch die Tal der Verwirrung-Crew, bekannt unter anderem aus dem Sisyphos, lockten in ein verschlafenes Naturschutznest rund eine Stunde von Berlin entfernt. Am “Großen See” in Grünz, der gar nicht so groß ist, wie es sein Name vermuten lässt, konnten Hunderte direkt am Wasser ihr Verlangen nach Musik ausleben. Über Bootsstege und einen kleinen Strand führten die Wege in das kühle Nass, das allerdings angesichts von Temperaturen um die 15 Grad nicht so sehr lockte, wie es sich alle Mitte August gewünscht hätten. Sag mal Wettergott, warum hast Du uns verlassen?
Flucht aus dem Großstadtdschungel
Ein kleiner Lageplan: Der Oewerall-Austragungsort Grünz ist ein Ortsteil der “Stadt” Penkun, die diesen Titel bei rund 2.000 Einwohnern aber wirklich nur auf dem Ortsschild trägt. Hier reihen sich kleine einstöckige Häuschen an langgezogenene Straßen, der Asphalt ist brüchig und immer wieder finden sich Kopfsteinpflasterabschnitte auf den schmalen Hauptstraßen. Das Oewerall Festival feierte hier, zwischen dem polnischem Stettin und Prenzlau an einem malerischen Gewässer der mecklenburgischen Seenplatte, seine Premiere. Gerade für Berliner war die Anreise nicht lange, die Umgebung dafür umso spektakulärer.
Direkt im Naturschutzgebiet
Direkt im Naturschutzgebiet war die Organisation des Festivals ohne Zweife eine Meisterleistung. Dementsprechend streng waren die Regularien für den Umweltschutz. Hier gab es Plastiksäcke für jeden Besucher, für Kippen spezielle kleine Ascheröhrchen. Am Uferrand befanden sich aufgereiht die Öko-Toiletten, die mit Sägespänen auskamen und mit angenehmen Holz-Toilettensitzen zum Verweilen auf dem Pott lockten. Der neben den Toiletten liegende Mainfloor wurde vom Berliner Kollektiv “ttt” gestaltet. Riesige Lampenschirme verteilten sich an der Tanze, auf selbstgezimmerten Podesten aus Holz konnte im rückwärtigen Bereich gefeiert werden. Es erinnerte an eine kleine Arena um das DJ-Pult aus Spiegeln, das vor waldiger Kulisse und dem dahinter liegenden See stand. Hier trat bereits am Freitag in der Nacht der Headliner der dreitägigen Sause auf, die erst am Sonntag enden soll: Robag Whrume.
Tal der Verwirrung – so viel für das Auge
Während Robag Whrume eines seiner so typisch housigen und flächigen Sets präsentierte, war nebenan beim Floor der Crew “Tal der Verwirrung” noch etwas mehr fürs Auge geboten. Mit einem riesigen Nebelwerfer wurden die Lichter über dem schlammigen Untergrund in angenehme grüne, gelbe und rote Wolken gepackt, der DJ stand in einer aus Holz verkleideten und aufwändig gestalteten Hütte (siehe Artikelbild). Acts wie Niju, Leon Kostner oder auch Mira spielten in dem bunten Bau der Berliner Gastgeber, die jede Menge Details auf ihrem Teil des Geländes versteckt hatten.
Am Sonntag kam sie dann doch: die Sonne
Bewölktes Wetter bei etwa 17 Grad am Freitag, Nieselregen mit zeitweise stärkerem Regen und viel Wind am Samstag waren natürlich eine Herausforderung für Organisatoren und Gäste, der sich aber nicht nur das Oewerall Festival, sondern viele andere Events an diesem Wochenende (beispielsweise das Sonne, Mond, Sterne als eines der größten elektronischen Festivals) stellen mussten. Umso schöner war es dann, als am Sonntagmittag letztlich wirklich noch die Sonne kam und das Oewerall in einen Tempel aus gleisendem goldenen Licht verwandelte. Leider etwas zu spät, denn der Acker war bereits ein zusammengestampftes Matschfeld und die kühlen Temperaturen saßen denjenigen, die am Freitag bereits da waren, in den Knochen. Nächstes Jahr machst Du es einfach etwas besser, Petrus! Dann wird das Oewerall Festival auch das, was es wirklich sehr verdient hat.