Das Tomorrowland hat seinen eigenen Film – oder laut Netflix seine eigene Dokumentation. Letztlich ist es aber pure Werbung, die nichts weiter als ein aufgeblasenes Aftermovie ist.
People of Tomorrow, tut Euch diesen Schrott bitte nicht an. Es war mal wieder einer jener Abende, an denen ein zweistündiger Monumentalfilm zu lange wirkte, eine Folge der aktuellen Serie zu unbefriedigend gewesen wäre und der Drang nach Wissen letztlich doch siegte. Somit wanderte der Finger auf der Fernbedienung in Richtung Dokumentarsektion der Netflixapp – meistens eine gute Wahl, nur nicht heute.
Als ich dann doch nichts von harten russischen Gefängnissen, Drug Inc. und Transgender-Operationen wissen wollte, dachte ich mir, ich eigne mir ein paar harte Fakten über das Tomorrowland im belgischen Boom an, das, passend zum ursprünglichen Ortsnamen, sich seit Jahren als weltweite Supermarke etabliert. Mit 200 000 Besuchern gehört das Festival mittlerweile auch zu den Größten der Welt.
Erwartungshaltung kontra was man eben bekommt
Bei dem Wort Dokumentation denke ich ehrlich gesagt an Fragen wie: “Wie viel Liter Alkohol fließt auf dem Tomorrowland?”, “Wie schwierig ist es, das Gelände gangbar zu machen?” oder “Wie krass ist die Belastung der umliegenden Flughäfen und Bahnhöfe, wenn fast eine viertel Million Menschen anreisen?”. Doch wer auf Fakten steht, wird hier enttäuscht. Es wartet Emotion. Und davon eher zu viel.
75 Minuten Handicaps, überwältigte EDM-Stars und Liebe, Liebe, Liebe
Das Tomorrowland vereint Menschen mit Musik und Magie – so die Festivalbotschaft, an der per se nichts schlechtes zu finden ist. Auch an der Message “Liebe” ist nicht verkehrtes, wenn sie nicht so unglaublich schnulzig und in zuckersüßen Farben vermittelt werden würde. Menschen mit Behinderung, Menschen aus Krisengebieten – sie alle kommen zum Tomorrowland. Das ist aber nur ein kleiner Bruchteil, mit dem sich das Festival hier groß und breit schmückt – Völkerverständigung vor der Kamera, aber keine Zahlen, wie viele Europäer eigentlich das Festival besuchen.
Denn die Kohle bringen wohl sehr viel eher auch die anderen, die satten Bürger aus Europa, über die sich dieser Film ausschweigt. Auch über Umsätze und mehr gibt es keinerlei Infos, aber eine Rede vom ehemaligen EU-Generalsekretär Ban Ki Moons über die Bemühungen des Tomorrowland-Festivals (ein Festival, das für Vielfalt steht? Naja, ganz was neues!) schwadroniert diese “Dokumentation” eine ganze Zeit lang.
Like Mike & Dimitri Vegas als Lichtblick
Schön ist vielleicht gerade einmal zu sehen, wie sich beispielsweise die EDM-Superstars Like Mike und Dimitri Vegas mit dem Festival verändert haben und wie aus den beiden Jungs aus Boom mitunter die reichsten und gefragtesten DJs der Welt wurden. Oma und Opa der beiden gibt es im Interview gleich obendrauf. Aber auch hier – viele Tränen, viel Emotion, wenig greifbares.
Vom Tomorrowland an sich würde ich nie abraten, der Reiz an diesem XXL-Festival bleibt bei mir auch nach diesem Film erhalten. Der 75-Minüter ist aber nichts weiter als reine und phasenweise auch überzogene Werbung. Ich hätte gerne mehr über das Festival erfahren. Damit gelingt es mir aber nicht.
Wer jetzt was sehen will: