Die Karriere des aufstrebenden Ten Walls endete 2015 nach einem homophoben Posting auf seiner privaten Facebookseite abrupt. Fünf Jahre später kämpft er mit dem Generalurteil gegen seine Person.
Marijus Adomaitis alias Ten Walls sitzt mit seinem Hund im dunklen Studio. Sein Gesicht ist zerfurcht, er wirkt müde. Und das bestätigt der litauische Produzent und DJ auch. In einem zwölfminütigen Video möchte Ten Walls seine Gedanken ordnen und eine klare Botschaft vermitteln. Es gelingt ihm allerdings nur schwierig, wirkt das Video an vielen Stellen wirr und ungeordnet.
Täglich mit seiner Verfehlung konfrontiert
Seine Frau habe ihn verlassen, sagt Ten Walls. Und jeden Tag konfrontiere ihn noch immer sein Posting, das er im Jahr 2015 auf seiner privaten Facebookseite veröffentliche. Er habe einen schlechten Witz in einer brutalen Form gemacht. Homophob mache ihn seine homophobe Äußerung aber nicht. Seinen Erklärungen habe nur keiner mehr zugehört.
Mürbe mache ihn seine Verfehlung der Vergangenheit. Beispielsweise dann, wenn er Musik an Labels oder andere DJs sende. Das Feedback sei immer gleich: „Ja, gute Musik, aber du weißt ja, die alte Story.“ Sein eigenes Label gebe ihm die Freiheit, Musik dann zu veröffentlichen, wenn er es möchte. Wahrscheinlich ist es aber auch der einzige Kanal, der für Ten Walls noch funktioniert.
Drei Kapitel, die Ten Walls im Video nicht zuende bringt
In seinem Video, das keine PR sei und zu dem ihm keiner geraten habe, spricht Ten Walls von drei Kapiteln. Wirklich klar werden diese nicht. Im Kern geht es dem Musiker aus Litauen aber darum.
Kapitel 1: Ein schlechter Witz
2015 veröffentlichte der ehemalige Innervisions-Act ein Posting. Es sei ein Witz gewesen, der in einer brutalen Sprache formuliert war. Er habe sich acht Mal dafür entschuldigt. Zeitgleich bezieht Ten Walls in seine Erläuterungen ein, dass er in einem sehr schwulenfeindlichen Land aufgewachsen sei. Er wäre in die Hauptstadt umgezogen, weil es dort liberaler gewesen sei.
Kapitel 2: Witz bezog sich offenbar auf einen Homosexuellen, der sich nackt vor seiner Tochter präsentiere
Letztendlich bezog sich der Witz mit einem Pädophilie-Vergleich offenbar auf einen schwulen Mann, der sich vor seiner Tochter oft nackt zeige. Er selbst habe Videos davon. Es ist nicht einfach, den wirren Äußerungen von Ten Walls zu folgen. Der Hintergrund der Geschichte ist aber weitestgehend neu. Er konnte es damals nicht erzählen, schließlich habe ihm „keiner mehr zugehört“.
Kapitel 3: Fehlend?!
Über das angekündigte dritte Kapitel schweigt sich der Künstler aus, seine Botschaft möchte er aber an mehreren Stellen klar machen: Ich bin nicht homophob.
Ist ein Mensch nicht homophob, nur weil er Musik für ein queeres Publikm macht?
Die Begründungen für diesen Sachverhalt sind aber weiterhin dünn. Vor queerem Publikum habe er gespielt, bei Gigs in Belgien wurden beispielsweise Flaggen der schwulen Community geschwenkt. Auch habe er Filmmusik für einen Streifen produziert, in dem es zu schwuler Liebe komme. Und unter seinem Künstlernamen Mario Basanov habe er mit einer Trans-Künstlerin gearbeitet.
Jeder macht dumme Sachen, jeder macht Fehler
Dem Sohn eines Geigers ist „Vergebung“ wichtig. Denn jeder mache Fehler und dumme Sachen. Er selbst möchte es auf Anraten seines Psychologen gut sein lassen. Es sei eine Lehrstunde. „Aber wenn mich diese Sache jeden Tag betrifft, wie kann ich es hinter mir lassen?“ – das fragt Ten Walls. „Auf der einen Seite bringt mich die ganze Geschichte echt um, das alles seit fünf Jahren. Andererseits motiviert es mich, mehr Musik zu machen.“
Des Geldes wegen wende er sich nicht an die Öffentlichkeit, er habe ja noch Gigs. „Ich möchte einfach sagen, ich bin nicht homophob. Ich bin ein Musiker.“ Den tatsächlichen Beweise und die Glaubwürdigkeit, warum ein Musiker nicht auch gleichzeitig queere Liebe ablehne, bleibt der litauische Act schuldig.
Ten Walls: Neiddebatte zum Ende hilft nicht weiter
Irgendwie wirkt Ten Walls so, als möchte er mit vielen Gedanken in seinem Kopf aufräumen. Umso unpassender ist es, dass in seinem Video zeitgleich Richtung Ende das Fass einer Neiddebatte geöffnet werde. Er habe es geschafft, international zu touren. Darauf seien viele seiner Landsleute neidisch. Man solle aber auch anerkennen, dass er dafür sein komplettes Jugendalter gearbeitet habe, um diesen Erfolg zu erreichen.
Es sind solche Abschweifungen, die die erneute Entschuldigung von Ten Walls nicht wirklich ankommen lassen. Wie glaubwürdig ist diese Entschuldigung? Jeder selbst kann Vergebung gegenüber dem musikalischen Genie üben. An einer möglichen, weiterhin existenten, homophoben Grundhaltung ändert eine erneute Entschuldigung freilich wenig.