Mit Radikon haben Jonas Saalbach und David Guzy ihre eigene Vorstellung eines Musiklabels ins Rennen geschickt. Wir sprechen im Interview mit den beiden DJs und Produzenten darüber, wie es ist, ein eigenes Label zu gründen.
März 2018, in Berlin entsteht ein neues elektronisches Musiklabel. Schon wieder. Das dürfte schließlich in der Techno-Metropole der Erde keine wirkliche Seltenheit sein.
Doch während viele Projekte schon nach kürzerer Zeit in den Bann der Belanglosigkeit gezogen werden, gibt es sie immer wieder: die kleinen Leuchttürme. Radikon heißt einer dieser erfolgreichen Neustarts, das sich seit März 2018 einen guten Ruf erarbeiten konnte. Adriatique, Solomun, Toto Chiavetta, Fideles, Mind Against sind nur eine Reihe der Namen, die die Releases des Imprints von Jonas Saalbach und David Guzy bereits gespielt haben.
Zeit, um mit den beiden Hauptstadt-Musikern darüber zu sprechen, wie es denn ist, ein eigenes Label zu gründen.
Frage: Labels gibt es wie Sand am Meer, warum macht ein eigenes Imprint dennoch Sinn?
David & Jonas: Wir möchten die Möglichkeit haben unabhängig von anderen Labels zu sein und nach eigenen Vorstellungen zu arbeiten. Wenn du eine Demo zu einem Label schickst, dauert es vom Produktionsprozess bis zum Release oft ein Jahr oder länger. Manchmal möchte man aber einfach zeitnah einen Song releasen. Zudem basiert Radikon auf langjährigen Freundschaften. Durch ein gemeinsames Projekt verliert man sich nicht so schnell aus den Augen und bleibt ständig im Austausch.
Welche Hürden, vielleicht auch ganz banale, gab es zum Start?
David & Jonas: Wo fangen wir am besten an. Name, Logo, Gründung unserer GbR, Künstlerverträge erstellen und so weiter und so fort. Und dann kommt natürlich noch der ganze künstlerische Aspekt hinzu. Zum Beispiel: Wie ist unser Social Media aufgebaut oder wie gestaltet sich das erste Release? Da wir nach kürzester Zeit schon im Verzug unseres Zeitplans waren, haben wir uns früh dazu entschlossen einen größeren Puffer einzuräumen. Glücklicherweise waren wir uns mit den Entscheidungen immer schnell einig. Uneinigkeit hätte hier eine große Hürde darstellen können.
In einer gewissen Szene habt ihr innerhalb kürzester Zeit ein gutes Standing erreicht. Warum glaubt ihr, ist das so?
David & Jonas: Es freut uns sehr, dass du das so siehst. Wir arbeiten von Anfang an sehr fokussiert. Außerdem haben wir die Vision von einer eigenen Plattform für kreatives Schaffen schon seit langer Zeit vor Augen. Diese hier zu kreieren gibt uns viel Motivation. Vieles, was gerade auf Radikon passiert, ist zum großen Teil schon seit Jahren gedanklich am reifen. Hilfreich für gute und kreative Arbeit ist unsere Liebe zum Detail und der tolle Kader an Künstlern, mit denen wir enge Freundschaften pflegen. Mit den meisten “Radikons” sind wir schon mehr als einmal mit ein paar Flaschen Bier durch Berlin gezogen und haben über Musik philosophiert. Die emotionale Bindung mit den Leuten, der Musik und dem Label ist für uns beide essentiell und bilden das Fundament, das dem Projekt Stabilität verleiht. Wir stehen hinter jedem Release und jeder Entscheidung, die wir treffen, und wenn das gerade den Zeitgeist trifft und somit Radikon ein gewisses Standing erlaubt, dann erfüllt uns dies mit tiefer Freude und Dankbarkeit.
Jonas, du bist mit Samuel (Einmusik) schon lange befreundet und am gemeinsamen Arbeiten. Konntest du dir hier einiges abschauen?
Jonas: Ja klar, auf jeden Fall! Ohne ihn wäre ich jetzt nicht da, wo ich bin. Samuel ist schon 10 Jahre länger als ich in der Szene aktiv und hat mir viel Wissen und Input in verschiedenen Bereichen mit auf den Weg gegeben. Mit Geschichten wie ‘Cercle’ und dem regelmäßigen gemeinsamen Touren haben wir zusammen viel erlebt und immer regen Austausch über Musik.
Erfüllst du bei Einmusika eine Rolle außerhalb deiner Tätigkeit als Künstler?
Jonas: Bei Einmusika bin ich ausschließlich Künstler. Trotzdem schaue ich öfter mal im Office vorbei und wir hängen ab.
Zurück zu eurem Baby: Was verbindet ihr beiden mit Radikon?
David & Jonas: Eine Vision, Herzblut, Freundschaft, sowohl positive als auch negative Emotionen, die Freude an elektronischer Club-Musik, die Partys und richtig viel Spaß.
Demopolitik: Wie viel kommt rein, wird alles angehört?
David & Jonas: Es kommt viel rein, aber wir schaffen es zeitlich nicht alles anzuhören und zu antworten. Mit Sicherheit haben wir schon das ein oder andere gute Material versäumt, aber der zeitliche Aufwand lässt es neben dem “daily business” nicht zu alles durchzugehen. Die Hälfte des jährlichen Release-Planes ist von unseren Stammkünstlern belegt, den Rest scouten wir selbst, indem wir Anfragen an Künstler*innen verschicken.
Was müssen Künstler mitbringen, die auf Radikon releasen wollen?
David & Jonas: Fette Produktionen, Ehrgeiz, fokussiert sein und Spaß an der Sache.
Gibt es auch als Label hier die gegensätzliche Anforderung: Also werben um Künstler, die man vielleicht so einfach auf ein kleineres Label nicht bekommen würde?
David & Jonas: Ja, hier und da muss man sich ganz schön ins Zeug legen, um diverse Künstler*innen auf unser Label zu bekommen. Gerade in der Anfangszeit, wenn man noch keine Ergebnisse vorzuweisen hat, ist es etwas schwierig zu überzeugen.
Jetzt habt ihr was Neues am Start. Was ist das?
David & Jonas: Unser aktuelles Release ist eine Remix EP für Foreign Guest & Cook Strummer´s ‘Run’. Balthasar (Foreign Guest) hat sich hierbei viel Mühe gegeben und Remixer ausgesucht, die wirklich tolle und interessante Musik abgegeben haben. Zwei Größen der Szene wie Ian Pooley und Luca Bacchetti auf Radikon zu begrüßen ist etwas Besonderes für uns. Hinzu kommt ein grandioser Remix von Max aka Yubik, der wie auch Balthasar, seit Tag eins Teil von Radikon ist.
Frage an Balthasar: Du bist seit Anfang an dabei. Was motiviert dich, auf Radikon weiterhin zu releasen?
Balthasar: Mich verbindet eine langjährige freundschaftliche Beziehung mit Jonas und Guzy. Als ich erfuhr, dass die beiden ihr eigenes Label gründen, wollte ich sie natürlich in ihrem Projekt unterstützen und das tue ich bis heute. Außerdem schicke ich den beiden immer gerne Musik und versuche den Katalog mit meinem Stil zu bereichern.
Balthasar, verliere ein paar Worte zum neuen Release. Warum sollte ich mir das anhören?
Balthasar: Dieses Release ist wohl einer der wichtigsten meiner bisherigen musikalischen Laufbahn und das aus rein persönlichen Gründen. Ich habe mit meinem Freund Cook Strummer letztes Jahr den Track ‘Run’ auf Radikon veröffentlicht und wusste damals schon, dass ich unbedingt Remixes anfertigen lassen möchte. Ein paar Monate später ist es nun soweit und wir haben ein wirklich diverses und starkes Paket anzubieten. Es ist mir eine Freude und eine Ehre zugleich, Produzenten-Größen wie Ian Pooley und Luca Bacchetti für meine Produktion begeistert zu haben. Auch Yubik, den ich persönlich kenne und schätzen gelernt habe, hat eine wunderbare eigene Interpretation geschaffen. Drei Remixe mit völlig unterschiedlichen Perspektiven warten auf euch.
Letztendlich eine Frage an euch drei: Wie beeinflusst euch die derzeitige Situation (vor allem mit Blick auf den Geldbeutel) und wie macht ihr aus der Situation dennoch das Beste?
David & Jonas: Mit dem sofortigen Tourstopp trifft uns die Krise ziemlich hart. Dennoch versuchen wir, das Beste aus der Situation zu machen und füllen unsere Zeit mit Label- und Studioarbeit. The show must go on und den Kopf in den Sand zu stecken bringt uns alle nicht weiter. Finanziell fahren wir auf das Nötigste zurück. Wir haben beide kein Problem damit zur Überbrückung andere Jobs zu machen, bis Reisen und Partys wieder möglich sind. Wir sind sehr dankbar gesund zu sein, unsere Familie sowie tolle Freunde zu haben, die für einen da sind, gerade dies weiß man in schwierigen Zeiten richtig zu schätzen. Außerdem gibt Radikon uns viele positive Schwingungen.
Balthasar: Natürlich hat die Corona Krise uns alle mehr oder weniger hart getroffen, finanziell sowie sozial. Mich belasten vor allem die sozialen Einschränkungen. Mit viel Geduld und verhältnismäßigen Erwartungen bin ich mir sicher, dass wir alle eines Tages den Weg zurück in die Normalität finden werden. Dass jedoch diese Krise auch große Opfer bringen wird ist Gewiss.