Julian Fischer hat einen Job, der wohl nie eine Gewerkschaft haben wird, der in den allerseltensten Fällen mit regulären Arbeitszeiten zu tun hat und der so wahrscheinlich auch niemals beim Arbeitsamt ausgeschrieben ist. Der 28-Jährige ist Booker in der MS Zufriedenheit (zur Website) in Würzburg und kümmert sich jedes Wochenende um diejenigen, die am Ende als die Verantwortlichen für einen guten Abend gefeiert werden: die DJs.
Gehst Du in einen Club, wirst Du ihn nicht erkennen. Außer Du kennst ihn persönlich. Du wirst nicht sagen: „Wow, was für eine sagenhafte Anordnung der DJs“ oder „Toll, wie sich das Programm auf der Website meines Lieblingsladens immer wieder aktualisiert“. Du wirst sagen: „Krass, war ich besoffen und war die Musik wieder fantastisch“. Doch ehrlich gesagt würde das ohne einen Booker nicht funktionieren.
Viele DJs, wenige Booker, noch weniger Clubs
Du kannst das schönste Gemälde malen und es Dir an die Wand hängen. Es wird immer schön aussehen aber nie wirklich viele Menschen erreichen. So ist es auch mit der Musik. Wer glücklich mit seinem Output ist, kann für sich selbst zuhause seine Musik basteln und hören. Doch irgendwann kommt der Punkt, da möchten die meisten mehr. Möchten ihre Kunst zeigen. Beim Bild geht es dann in die Galerie und vielleicht zum Kunstmäzen, also einem Auftraggeber. Ohne den zahlenden Auftraggeber gibt es keine Arbeit. Und ohne den Club braucht es keine DJs.
Der Booker als Brückenschläger
MS Zufriedenheit-Chef Thomas Howert (Spitzname: Howie) stellt eine Prämisse an seinen Booker: „Wichtig ist, wie vernetzt jemand in alle Szenen ist. Im Clubbereich ist alles schnelllebig, man muss da einfach fix reagieren, um überhaupt den Status Quo halten zu können und dazu braucht es eben Kontakte.“ Sein Booker Julian Fischer kann da selbst nur zustimmen: „Dranbleiben, gut vernetzt sein, gut mit Leuten können und ein Gespür zu haben, was funktioniert und das noch richtig einzuordnen.“
- Eine Baustelle unter Julians Führung: Die MS Zufriedenheit auf Facebook
Diese Aussage ist für den gebürtigen Unterfranken eine ordentliche Herausforderung seines Jobs, in den er nach einem Kulturmanagement-Studium einsteigen durfte. Dass das nicht immer zwingend was mit der eigenen Lieblingsmusik zu tun hat, wird im Gespräch relativ schnell klar. „Ich muss den Mittelweg zwischen Anspruch und Kompatibilität finden. Das ist eigentlich der Kern der ganzen Sache“, so die Bilanz nach über drei Jahren MS. „Es gibt viele Künstler, die von der musikalischen Qualität ein Wahnsinn sind, die aber in einer mittelgroßen Stadt wie Würzburg nicht funktionieren.“
Wie wird man Booker?
Ein Booker-Posten ist in den wenigsten Fällen irgendwo ausgeschrieben, meist geht die Jobvergabe über Kontakte, die so oder so eine Grundvoraussetzung des Jobs sind. Darüber hinaus „war ich schon vor meiner Festanstellung hier involviert und habe viele Veranstaltungen gemacht. Die meisten Sachen haben mir in der MS sehr gut geschmeckt, als ich fest angefangen habe. Die Grundauffassung teile ich also.“
Es geht bei diesem Job um ein Grundgefühl, um Stimmungen, die nicht nur vor der Fassade stimmig sein müssen, sondern auch dahinter – denn das Clubgeschäft ist ein hartes, weiß Clubbetreiber Howie: „Im Clubbereich gibt es das verflixte siebte Jahr, das ist statistisch bewiesen. Dann machen die meisten Läden wieder zu.“
Vor den langen Nächten ist die MS Zufriedenheit Café und Restaurant:
Verballerte Leute, organisierter Rahmen
Das Clubdasein findet dort statt, wo Leute aus ihrem Alltag ausbrechen. Techno, Cloudrap oder Hip Hop – in all diesen Szenen gibt es eine Drogenkultur, gibt es verrückte Höhepunkte an einem Abend und ein essentieller Wunsch nach Individualität. Was an dem Abend dann oft wie ein wildgewordener Zirkus erscheint, erfordert im Hintergrund Struktur. „Auch in unserer elektronischen Szene funktioniert vieles professionell über Agenturen. Daher ist es schon essentiell, nicht zu verpeilt aufzutreten“, grinst Booker Julian.
„Man will sich ja nicht verkaufen und ein Event machen, bei dem nur jemand kommt, der sich für die Musik nicht interessiert, sondern man möchte etwas schaffen, was auch eine gewisse Musikqualität rüberbringt.“
Die Agentur, ein Hindernis?
Neben dem Checken der Plakate, der Website und der Facebookpromotion („Die Gestaltung eines Clubs ist das Erste, womit die Leute in Berührung kommen“) sowie der Organisation des nächtlichen Ablaufs selbst ist vor allem, wie es der Berufszweig schon sagt, der Kontakt mit Bookingagenturen ein zentraler Punkt. Das ist nicht nur ein Vorteil: „Agenturen sind immer ein Nachteil, weil es Geld kostet, so 15 Prozent mehr. Dafür geht es manchmal schneller mit der Kommunikation.“ Die meisten Bookings der MS Zufriedenheit werden über Agenturen abgewickelt, negative Erfahrungen mit Künstlern ohne Agentur hat Julian Fischer, der selbst unter dem Pseudonym Frickler auflegt, bisher allerdings nicht gemacht.
„Frickler“ im Mix für KONTA:
Realistische und utopische Gagen im Nachtleben
Bei den Bookings wird wie im realen Leben alles teurer: So sagt es das Gefühl vieler Festivalbetreiber, die für große Acts jährlich eine weitere Schippe Scheine drauflegen müssen. In einem kleineren Club wie der MS Zufriedenheit, die eher szeniger bucht und auf große Namedroppings größtenteils verzichtet, sind überteuerte Gagen eher weniger ein Problem: „In dem Bereich, den wir buchen, werden die Preise eher nicht mehr teurer. Aber generell sind wir was elektronische Musik angeht an einer Spitze angelangt. Das liegt daran, dass Techno und Co global geworden sind und einer, der in Barcelona spielen kann und da das Doppelte an Gage bekommt, der wird das machen.“
Auf übertriebene Bookings mit utopischen Gagen möchte das Team des Würzburger Clubs generell verzichten: „Da geht es einfach um Nachhaltigkeit. Ich will lieber solide Arbeit leisten und ein bedachtes Booking zu machen“.
Julian Fischer über musikalische Flexibilität
Musikalisch ist der 28-Jährige seit Jahren im House- und Technobereich zuhause. Sein Vollzeitjob als Booker nach dem Studium lehrte ihn mehr musikalische Offenheit: „Ich musste eine Ecke mehr musikalische Flexibilität gewinnen. Ich habe davor schon auch andere Musik gehört, mich damit aber nicht so beschäftigt. Aktuell muss ich schon beurteilen können, was beispielsweise bei Cloudrap gut ist oder eher nicht so cool.“ Diese Offenheit fordert Julian auch vom Publikum.
Ärgerliche und traumhafte Seiten des Jobs
Booker zu sein heißt, auch mal die Nacht durchzuarbeiten, am nächsten Tag aufzustehen und dann gleich wieder weiterzumachen. „Eine Zeit lang war die harte Arbeit in der Nacht schon anstrengend, wir haben aber ein wenig umgemodelt und jetzt habe ich nicht mehr überwiegend die Abendleitung. Man ist dann schon da wegen des gebuchten Acts, aber nicht mehr nur bis zum Ende.“
Belohnung für die oft auch krassen und flüssigen Nächte gibt es dann durch gelungene Bookings wie beispielsweise Konstantin Sibold, bei dem es nicht nur musikalisch, sondern auch „menschlich einfach super passt“. Als Ärgernis bewertet der studierte Kulturmanager kurzfristige Absagen, die sich vertraglich zwar in einem erlaubten Rahmen befinden, „einen Monat davor aber nicht gerade schön sind.“
Der Abschluss: Das Schlimmste, das Schönste
Für viele klingt dieser Job nach einem Traumjob, und das kann er auch sein: „Booker ist der schönste Job, weil man sich musikalisch einbringen kann und damit auch das Gesicht eines Clubs maßgeblich prägt.“ Doch auf der anderen Seite steht eine Anspannung, die viele Veranstalter nachvollziehen können. „Booker ist der schlimmste Job wegen der Aufregung am Anfang eines Abends, bis endlich die Leute kommen. Das kann bei uns schon mal später werden.“
Wenn das geklappt hat, dann ist relativ klar, dass der große Wunsch eins jeden abends erfolgreich verwirklicht werden konnte, denn „der wichtigste Spagat ist einfach, einen Künstler gefunden zu haben, der an dem Abend und im Optimalfall in der Bewerbung funktioniert, ohne dabei den ganzen Abend mit EDM-Hits gefüllt zu haben.“