Der Kanadier Frivolous gehört schon seit vielen Jahren zu den eigenwilligsten und aussergewöhnlichsten Künstlern der Szene. Mit seinem enorm wandelbaren Stil, der irgendwo zwischen Balkan, Techno, Bassmusik und psychedelischem liegt, spielte er sich in viele Köpfe – auch in Europa.
Jetzt veröffentlichte er in einer Nacht- und Nebelaktion sein neues Album „Lost & Forgotten“ mit zahlreichen Tracks, die es bis dato noch nie auf eine Platte geschafft haben. Feelectronica.de hat sich mit dem Ausnahmekünstler Daniel Gardner alias Frivolous unterhalten:
Sag mal Daniel, warum kommt das neue Album so klammheimlich und wird nicht, wie üblich, beworben?
„Wir haben uns entschlossen, das Album geheim zu halten. Das Label bewirbt es nicht und wir wollen es auch nicht für Leute veröffentlichen, die meine Musik gar nicht kennen. Es ist eine Platte für diejenigen, die geduldig zwei Jahre auf was neues gewartet haben – denn ich war viel unterwegs und im Tourstress. Für mich ist das Album einfach eine inspirierenden Wiedergeburt, sowohl für mich als auch für meine Fans.”
Es ist ein Album, das aus unglaublich viel unveröffentlichtem Material der letzten Jahre besteht. Wie würdest du es beschreiben?
“Es ist unveröffentlichtes Zeug, das bis 2003 zurückgeht. Das ist nicht Mal die Hälfte an unveröffentlichten Tracks, die ich noch im Petto habe. Ich finde es einfach super, die Musik jetzt mit den Leuten zu teilen. Das Album fokussiert eher meine clubbige Seite, es ist aber auch Experimentelles dabei.”
Und dein Lieblingstrack auf „Lost & Forgotten“ ist?
Wahrscheinlich „Wendy“, Track Nummer Fünf. Ich habe ihn 2005 gemacht und war richtig inspiriert und voll verliebt in Housemusik. Da hört man einfach die Leidenschaft und Energie meiner Jugend. Wenn ich in die Richtung mit meinen jetzigen Fähigkeiten beim Produzieren gehe, wird das mal noch ein fantastisches Ding.
Was heißt Frivolous eigentlich?
Das entstand wohl, als ich mit 16 Jahren das Auflegen angefangen habe. Ich bin in Vancouver aufgewachsen, was ich gerne „LA Junior“ nenne. Die Musik war in den 90ern so grausam und ich habe den Minimal aus Deutschland geliebt, wie Perlon, Playhouse, Basic Channel und so weiter. Ich hab noch keine Gigs bekommen und habe dann beschlossen, wenn ich so ähnlich wie „betrunkene Dummheit“ heiße, kann ich durch den Spaß auch meine Musik vermitteln. Heute ist das eher etwas sarkastischer zu sehen, ich bin auf dem Namen einfach hängen geblieben.
Ich habe so oft Livemitschnitte gesehen, wie du mit einem großen silbernen Messer auf einer kleinen analogen Maschine rumhammerst. Wie heißt das Gerät denn?
Das ist Frivolous’ elektromagnetisches Küchenmesser oder eben nur „das Messer“. Die Maschine ist ein Line6 DL4 Modulator Delay der durch den Computer noch mehr synchronisierte Effekte bekommt.
Und das ist so eine kanadische Tradition, oder wie?
Ja, wir in Kanada lieben es Kontaktmikrophone mit komischen Sachen zu verbinden und dann supersphärische Signale auszusenden. Damit kommunizieren wir über lange Distanzen. Ich sage damit meinem Nachbarn beispielsweise, dass Wölfe im Frühjahr auf Futtersuche vorbeikommen und er seine Hühner verräumen soll. Nein ernsthaft, es ist einfach eine Faszination die ich habe und damit umsetze.
Du hast ja auch in Berlin gelebt, jetzt aber wieder in Kanada?
Genau, meine Frau und ich leben auf einer Insel vor der Küste Kanadas im Pazifik. Ich habe aber immer noch viele Freunde und Kollegen in Berlin und komme ein paar Mal im Jahr rüber.
Mir scheint, als ist Daniel Gardner nicht so der typische Durchschnitts-DJ. Du hast kaum Promofotos und wenn, siehst du wie ein ganz normaler Typ aus, der einen richtig komischen Farmerhut aufhat. Warum bist du so atypisch?
Weiß ich gar nicht. Ich mag einfach nicht den ganzen Glamour der DJ-Kultur. Es nervt mich und ich habe mich immer wie die Clubkultur in meinem Kopf gefühlt. Hier ist die Szene einfach nichts für mich, dieses ganz noble Metropolengehabe. Ich versuche hier einfach, so viel Platten wie möglich heimzunehmen und der Himmel zieht an mir vorbei und meine Vorstellung im Kopf erledigt den Rest. Wenn ich dann nach Europa komme, geh ich feiern und raste aus. Das ist super.
Du sagst selbst, du hast mit der Musik in kompletter finanzieller Armut begonnen. Wie müssen wir uns das vorstellen? Hast du aus der Mülltonne gegessen?
Das ist absolut nah dran. Ich bin nach Montreal gezogen und hab das Quebecois-Französisch nicht gesprochen. Ohne die Sprachkenntnisse konnte ich nicht einfach arbeiten und dann habe ich aufgelegt, nur um die Miete zusammen zu kratzen. Im Winter habe ich echt ein Feuerchen mit Kartonagen gemacht und habe nur Macaroni mit Käse gegessen. Gottseidank wurde ich dann in Europa entdeckt und konnte da spielen.
In deiner Musik finden sich so viele Stilrichtungen. Du sagst „stell dir Bob Dylan vor, wenn er elektronisches im Vierviertel-Takt macht“.
So hat das mal ein Musikjournalist betitelt, genau. Richtig ist, dass ich sehr viele Stile habe. Ich gehe einfach durch verschiedene Phasen und manchmal ist es russische Klassik, dann wieder Brass, dann Balkan, dann 70er. All das beeinflusst mich. Ich denke, die Hörer finden Frivolous attraktiv, weil es einfach etwas anderes ist. Irgendwie.
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