Julien Bracht gilt als der neue Messias der elektronischen Musik in Frankfurt. Er ist der jüngste Artist der Cocoon-Familie um Labelboss Sven Väth und startet im März sein erstes Label TRUST, das er stolz als „sein Baby“ bezeichnet. Feelectronica.de hat den 22-Jährigen getroffen.
Die Haare weit über Schulterlänge nach hinten gestrichen, ein schlichter schwarzer Pulli übergeworfen und noch eine schnelle kleine Cola vor dem Gig getrunken: Julien Bracht wirkt so gar nicht wie man es von einem nationale Durchstarter erwarten würde, der so weit vor Verfallsdatum zu Cocoon, einem der bekanntesten Technolabels der Welt gehört. „Ich bin eigentlich gar nicht anders, wie jeder andere auch. Ich wohne mit meinem Bruder in Frankfurt und bin ein totaler Familienmensch. Ganz normal eben. Ich mache mit meiner Familie relativ viel und sonst gehe ich trainieren oder mit meinem Hund joggen.“ Der 22-Jährige wirkt absolut authentisch, wie der etwas freakige Metalbandsänger im Nachbarhaus. Mit einem Unterschied: Aus seinen Boxen dröhnt eben kein Metal, sondern erfolgreiche elektronische Musik. Die Szene kennt ihn nicht zuletzt durch seinen im Februar 2013 veröffentlichten Hit „Ancheronian“ und er gilt als etwas, was viele als den neuen Messias der elektronischen Musik bezeichnen.
Bracht spielt frei und ohne feste Linie
„Jesus gehört definitiv immer schon zu meinen Spitznamen, was das Musikmachen betrifft“, lacht Julien Bracht. Nicht nur, weil seine Musik als innovativ und grenzenlos gilt, sondern weil der Langhaarige mit seinem Bart auch optisch ein bisschen wie der Messias wirkt. Nur eben ohne Sandalen und Cape und mit einer musikalischen Botschaft, die stilistisch sehr wandelbar ist. Sein dreistündiges Set dröhnt wie ein Gewitter aus dem Soundsystem. „Meine Musik würde ich momentan als breakig, industriell und emotional beschreiben“ – eine Ansage, die er bei seinen Auftritten direkt umsetzt. Eine feste Linie gibt es nicht, gespielt wird, was er für richtig hält und zu seinem Geschmack passt. Wenn nicht live, dann ganz altmodisch auf zwei Technics und zwei CDJ 2000ern, die er nicht digital, sondern mit CDs füttert.
Liveshow vermischt elektronischen Sound mit organischem Schlagzeug
Generell macht es den Eindruck, als liege dem Abiturienten das Handwerkliche. Als er 2011 sein Liveset etabliert und, finden auch seine Drums schnell den Weg auf die Bühne. Fortan spielt er zum elektronischen Drumkit live auch Schlagzeug und entwickelt dadurch eine Energie, die in der Form immer seltener wird – denn Echtinstrumente sind bei nicht gerade vielen Künstlern im Gepäck. Seit er sechs Jahre alt ist, spielt Bracht Schlagzeug, im Jugendalter auch in verschiedenen Bands. Und dennoch: In seinen Studioproduktionen verzichtet der 22-Jährige größtenteils auf ein live eingespieltes Schlagzeug. „Ich möchte, dass meine Studiodrums nicht zu echt klingen“, verrät der Cocoon-Youngster sein Geheimnis. Er will den Einsatz von organischen Drums und elektronischem Sound klar trennen und erst live als spontanes Zusammenspiel wirken lassen. Das ist sein Geheimnis, dafür arbeitet er. Am liebsten ohne Stress und Druck im Hintergrund – denn dann gibt es die besten Ergebnisse und den für ihn optimalen Sound.
Label „TRUST“ startet im März
Julien Bracht will im Wandel bleiben, so der generelle Eindruck. Wo er in ein paar Jahren musikalisch steht, weiß er heute noch nicht. „Ancheronian war eine Momentaufnahme – auch wenn es mein kommerziell erfolgreichster und bekanntester Track ist, möchte ich das vom Sound nicht wiederholen“, betont der Frankfurter. „Ich will nicht wie so viele andere einen Stil haben, nur weil er schon mal funktioniert hat. Das heißt nicht, dass man in meinen Nummern nicht mich raushört.“ Das möchte Bracht auch mit seinem ersten eigenen Label namens TRUST zeigen, das er im März startet. Sehr viele industrielle, breakige Nummern sollen dort erscheinen. Den Auftakt macht ein eigener Track, der auch ganz sicher ein Überraschungsei werden wird. Deshalb vielleicht die Ankündigung: „Auf TRUST kommen Momentnummern, kein DJ-Futter.“
Cocoonrelease ebenfalls geplant
Zehn fertige Songs habe er für 2014 in der Hinterhand, verrät der Nachwuchsact im Feelectronica.de-Interview. Alle Songs warten auf ihr Release, etwas für Cocoon soll auch dabei sein. Weiterhin experimentiert wird natürlich auch dieses Jahr: „Ich mache viele Sounds aus irgendwelchen Samples, sei es nur ein Loop. Dann entsteht irgendwann ein fetter Sound, durch rumprobieren.“ Irgendwann kommen eben Nummern wie „Ancheronian“ heraus. Vielleicht ist es gerade diese musikalische Freiheit und Unbekümmertheit, die die Fans so schätzen. Die Leser des Magazin „Groove“ wählten den Frankfurter erst kürzlich auf die Nummer Vier der besten Newcomer in 2013. Ob er 2014 da noch einen draufsetzen kann?
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Bildquelle: Julien Bracht Press Shots / Bobby Anders