Ohne Zweifel gehört das Mixed Munich Arts in der bayerischen Landeshauptstadt zu den angesagten Adressen der Technokultur Deutschlands. Doch der Club will weit mehr und beweist das mit konstant hochklassigen Bookings wie beispielsweise diesem: der Dystopian-Labelnight am Samstag. Dieser Umstand zeigt, dass das MMA obgleich der ohnehin positiven nationalen Reputation auch international mitspielen kann.
Wer die riesige Halle dieses Betonklotzes namens Mixed Munich Arts (MMA) betritt, der erschrickt im ersten Moment von der Brachialität dieses Lagerhauses, das nur erahnen lässt, wie damals der Techno in den alten verlassenen Hallen von Detroit entstand. Die Höhe dieser Decke in der Haupthalle lässt sich lediglich schätzen, die zuckenden Lichter und die hunderten tanzenden Körper vermengen sich mit dem überwiegend geradlinigen Sound zu einem Brei von Eindrücken. Von Verlorenheit bis hin zur grenzenlosen Liebe liegen in diesem riesigen Tempel die Zustände des „Ichs“ ganz nahe beieinander. An diesem Samstag bietet das Menü der Lokalität dystopische Klänge von Rodhad, Regis, Vril und einigen anderen wie beispielsweise den Zenker Brothers aus der Landeshauptstadt oder Avalon Emerson, die das Closing im kleineren Bereich spielt.
Kuschlig, da auf dem zweiten Floor
Um 2.00 Uhr wartet eine Menschentraube vor dem MMA. Die Macher wissen, wie Exklusivität erzeugt werden kann. Während in den Eingeweiden des Clubs, der über eine Unzahl von Gängen und auch einen zweiten Floor verfügt, noch Platz ist, drängt sich draußen das Feiervolk zu einem Pulk zusammen. Um diese Uhrzeit spielen die Münchener Ilian-Tape-Macher Dario und Marco Zenker alias Zenker Brothers auf dem zweiten Floor, die ihn nicht nur füllen, sondern auch gekonnt kontrollieren. Hier ist es zum Start des Abends auch noch deutlich wärmer und kuschliger, als in der riesigen Halle nebenan, in der nicht nur das eine oder andere Mädchen noch fröstelt.
Der Wechsel
Der Schwerpunkt vom Aufwärmen im kleinen Bereich zum Stampfen auf dem Mainfloor verlagert sich spätestens zur zweiten Hälfte des Livesets von Vril. Der deutsche Produzent gestaltet bereits seit 25 Jahren die Musikszene mit und ist damit nicht nur auf Dystopian beheimatet ist, sondern auch auf dem Untergrundimprint Giegling aktiv. Erst vor wenigen Tagen wählten die Nutzer des Musikmagazins Resident Advisor Vril auf Platz 10 der besten Live-Acts der Welt – diesem Ruf wird der mystische Künstler im MMA auch gerecht. Über die riesige, von der Decke hängende PA prallt seine breite Kick und die analogen Flächen auf die hungernde Anhänger des Dystopian-Acts. Er ist das erste gewaltige Schlaglicht an einem Abend, der noch bis weit in die Morgenstunden andauern wird.
Sperrstunde aushebeln
Neben seiner reinen Gewaltigkeit in Sachen Optik ist das Mixed Munich Arts auch einer der wenigen Lokalitäten im relativ strikten Bayern, das während der Sperrstunde weiterfeiern darf. Auch das erklärt, warum hier auch immer noch um vier Uhr nachts Menschen kommen – die Feiern sind exzessiver, opulenter, dauern längern und bei einem Closing Set mit offenen Ende von keinem geringeren als dem Berliner Rodhad ist das vielen Münchenern im Vornherein bekannt, dass hier auch spät kommen der Trump sein kann.
https://soundcloud.com/dystopian-music/vril-live-at-stattbad-wedding-berlin-2014
Regis vor Rodhad: Kultfigur trifft Superstar
Was Vril vorbereitet, greift der UK-Produzent Regis ohne Probleme auf. Der Sound bleibt drückend und hart – kein Wunder, zählt Regis neben Acts wie seinem Labelfreund Surgeon zu den Techno-Kultfiguren aus Großbritannien und ist bereits so viele Jahre im Spiel, dass für ihn auch Techno um die 140 bpm kein Fremdwort sein dürfte. Bis kurz nach fünf Uhr dauert sein Set, das nur noch eines zulässt: Die Kirsche auf den gewaltigen musikalischen Sahnebecher des Abends zu setzen.
Die Bürde des Peaktime-Sets
Wer im Mixed Munich Arts um fünf Uhr ein verlängertes Closing Set spielt, der darf mit einigen Wassern gewaschen sein und muss durchaus auch eine gewisse Kompromisslosigkeit an den Tag legen. Wenn das einer aktuell kann, dann ist das Rodhad, der erst mitten in der Nacht mit einem verspäteten Flieger aus Bogota (Kolumbien) gelandet ist. Und dennoch: „Die Uhrzeit ist für mich kein Problem, ich komme gerade von einigen Tagen in Südamerika und da wäre es jetzt 11 Uhr abends“, wägt der Ost-Berliner Mike Bierbach alias Rodhad die späte Uhrzeit ab. Rodhad ist eine Erfolgsgeschichte, wie auch sein Label Dystopian, das sich vom Freundeskreis zum international gefeierten Imprint entwickelt hatte. Früher zusammen auf der Couch, heute zusammen um die Welt – dieses Wissen, woher alles entstanden ist, lässt Rodhad in nahezu jeder Aussage deutlich werden.
Dieser Mann ist geerdet, ohne jeden Zweifel. So wundert es auch nicht, dass der tätowierte Herr mit Flatcap und Tunnels in den Ohren entspannt mit einem Bein wippt, während seine harten Peaktime-Nummern auf 131 bpm durch die heilige Halle des Mixed Munich Arts wummert. Die Sonne steht schon länger über München, als im Mainfloor letztlich die Lichter ausgehen. Diese Nacht, die gerade durch ein etwas fokussiertes Publikum als bei vergleichbaren Acts wie Maceo Plex oder Tale Of Us auffällig war, schreit nach einer Wiederholung. Und da Rodhad am Samstag nicht zum ersten Mal im Mixed Munich Arts zu Gast war, wird dieser Schrei sicherlich gehört werden.