Manche mögen das Genre gestört finden, andere geil. Und schon in diesem kleinen Wortspiel steckt das personifizierte Böse eines Genres, für das es keinen wirklichen Namen aber einen echten Hype gibt.
Schlektro – über diesen Begriff bin ich erstmals am Wochenende durch einen Freund gestolpert. Er nannte das so, offensichtlich gibt es sowieso keine wirkliche Schublade für die Musik, die eben an eine Mischung aus Schlager und Elektro erinnert. Auf dem Foto seht ihr eine Hälfte des Duos “Gestört aber GeiL”, die als DIE Gesichter schlechthin der Musikwelle (darf man das Musik nennen?) gelten.
Unter meiner Haut – bitte nicht!
Angefangen hat meine unverkennbare Liebe für “Schlektro” irgendwann vor über einem Jahr, als meine Nachbarin diesen Todesflug von Tönen eines Tracks namens “Unter meiner Haut” jeden Morgen durch die Wände gejagt hat. Das wäre gar nicht so schlimm gewesen, hätte ich “Unter meiner Haut” nicht jeden Tag rund 20 Mal gehört. Schon nach wenigen Minuten konnte ich die Lyrics auswendig, denn die Komplexität der Wortkonstruktionen sind naja – so lala.
Aber: Gerade durch diesen Track haben es die beiden Jungs namens “Gestört aber GeiL” (mit großem L bitte!) aus Erfurt auf die großen Bühnen des Landes geschafft. Immer Mainstage, immer Mainstream.
Es fällt mir gerade wahrlich schwer den neuen Podcast von SHDW und Obscure Shape für “Reclaim Your City” auf Pause zu stellen, um die 3.38 Minuten des Duos zu analysieren. Es startet mit leichten Bongos, die schon bei Klangkarussell eine Signatur waren und ja – zum Durchschnittssound eines jeden Deep House-Tracks wurden. Irgendwie muss also “Schlektro” wohl aus der Deep-House-Edit-Welle im Jahre 2012 und dessen Vorreiter “One Day” von Asaf Avidan und Wankelmut entstanden sein. Nur – es wurde schlimmer.
Irgendwas mit ein bisschen Teenieliebe
Nach wenigen Sekunden kommt die Weichspülerstimme, die offensichtlich von Wincent Weiss (beim Vornamen mit W) gesungen wurde. Ein bisschen was mit Liebe – allerdings nur so Liebe, die du mit 12 oder 14 erlebst. “Du versprichst mir heute alles und ich schwör auf jedes Wort … ich lass Dich nicht mehr gehen … ich trag’ Dich unter meiner Haut” – das nur als Auszug. Manchmal denke ich mir, dass der Papierkorb unter meinem Schreibtisch (unter meiner Haut?) nicht nur für Müll sondern auch für Erbrochenes gut sein sollte.
Alles austauschbar
Nun gut, geschmacklich eine echte Verfehlung – es gibt ja auch einen Robin Schulz, der irgendwo in das Genre “Schlektro” passt, aber wenigstens nicht mit deutschen Käsetexten vom Wiggensbacher Älpli nebenan (obwohl der Käse echt gut ist). Und Schulz hat wenigstens mehr Idee, mehr Anspruch. Die “Schlektro”-Songs der Genreanführer “Gestört aber GeiL” sind so unfassbar x-beliebig und austauschbar. Ein Beispiel gefällig?
Statt Wincent singt jetzt Marc – ich höre keinen Unterschied. Auch der Text ist irgendwie – gleich? Und der Sound ist – gleich? Naja, sowas kann dann durchaus als Stil bezeichnet werden – nicht allerdings, wenn es so stillos und billig klingt. Warum zur Hölle hört sich das so nach Plastik an? PET-Flaschen-Plastik.
“Ich hoffe, Du bist bald vorbei”
“Schlektro” – mit Dir werde ich mich niemals anfreunden können. Ich hoffe, Du bist bald vorbei. Dann lieber noch ein bisschen Robin Schulz hören. Muss aber auch nicht sein.