Vor wenigen Wochen veröffentlichte Einmusik sein aktuelles Album „10 Years“. Und der Name ist Programm: Seit 10 Jahren ist der Berliner unterwegs. Immer zwischen seinem Studio, rappelvollen Clubs und einsamen Hotelzimmern.
„10 Jahre, das ist ´ne lange Zeit. Kommt mir aber gar nicht so tragisch vor und ich will das hier auch nicht überdramatisieren, weil einfach Jahr um Jahr so ins Land zieht und man sein Ding macht“, stellt Einmusik, bürgerlich Samuel Kindermann bescheiden fest. Dieses „Ding“ ist allerdings viel mehr als nur ein bisschen Musik und ein paar verschlafenen Gigs in und um sein Domizil Berlin. Kindermann ist jedes Wochenende unterwegs, spielt europaweit live, veröffentlicht in enger Taktung eigene Tracks und betreut sein Label „Einmusika“.
Hotelleben grundsätzlich eher unangenehm
Die Liebe zur Musik und das viele Musikmachen führen zu Tourstress – und haufenweise Meilen auf dem Fliegerkonto: „Das ganze Verreisen ist relativ nüchtern. Es ist einfach wie ein Arbeitstag. Fliegen mag ich zwar nach wie vor, Hotel ist aber nie geil. Da ist es egal ob du zwei oder fünf Sterne hast.“ Einmusik schätzt sich dabei selbst als eher schüchtern ein: „Man ist immer in einer anderen Stadt und da traue ich mich einfach oft nicht raus. Das ist was anderes, wenn man Freunde in der jeweiligen Stadt hat.“ Hotels seien schnöde und schlicht, die förmliche Höflichkeit zu unpersönlich. „Da fühle ich mich unwohl“, bilanziert Samuel Kindermann zehn Jahre Hotelleben vor und nach seinen Gigs.
Rund vier Monate Arbeit an „10 Years“
Über den Sommer saß der 35-Jährige an seinem Jubiläumsalbum „10 Years“. Hat neue Sounds ausprobiert und sich wieder einmal weiterentwickelt. Von Konzeptarbeiten und übertriebenen Gedankengängen hinter der Musik hält der gebürtige Hamburger aber nicht viel: „Die meisten Leute nehmen sich zu wenig Zeit um ein Konzept zu beleuchten. Deshalb habe ich es mir abgewöhnt, konzeptionell zu arbeiten. Denn ganz künstlerische Sachen finde ich auch zu pathetisch. Wir machen schließlich immer noch Musik für den Club.“ Zehn bis zwanzig Tracks am Stück macht Einmusik im Durchschnitt, wenn er eine Studiophase einlegt. Am Ende findet er drei davon gut genug für ein Release. Der Rest sei „Try-Out-Kram“.
10 Years kommt mit reduzierten Vocals aus
Die Songs, die es auf das Album „10 Years“ geschafft haben, sind durchwegs melodisch. Eben auch ganz typisch für seinen Sound. Tracks wie Koogle (sprich: Kugel) oder Silveroid erinnern ansatzweise an aktuelle Releases vom Label Innervisions. „Ja, das ist ein echtes Ausnahmelabel mit tollen Künstlern, die maßgeblich die Szene beeinflussen. Das finde ich klasse, was die momentan machen“, bestätigt Kindermann. Auffällig am gesamten Album: Es verzichtet bei einigen Tracks auf die Vocals. Und das, nachdem „Time rolls on“ von seiner letzten EP „Multiple Life“ ein hochemotionaler Gesangstrack war. „Naja, Vocals können schnell sehr peinlich werden und fremdschämen ist angesagt. Das ist nicht so ganz einfach mit Gesang und ich bin selbst kein Vocalartist. Vocals wie von „Time rolls on“ sind nicht einfach zu finden.“ Deshalb halte er sich dabei etwas zurück.
Von Hamburg nach Berlin
Vor circa 4 Jahren verschlug es den Hanseaten aus Hamburg in die Hauptstadt. „Berlin hat schöneres Wetter. Aber auch diese Anonymität ist manchmal gut um einfach rumzuwerkeln. Ohne riesige Politik dahinter und mit einer größeren Szene. Und wenn man keinen Bock auf Arbeit hat und sich mal einen Tag frei nimmt, dann bietet die Stadt halt auch viel.“ Zum Beispiel fährt der Labelboss von Einmusika ganz gerne „Bötchen auf der Spree“.
Indie von Braids oder Bowie hoch im Kurs
Da kann es dann auch gut sein, dass der mp3-Player im Gepäck ist. Täglich ist der 35-Jährige auf der Suche nach neuer Musik. Vorrangig Indie sei in seiner Itunes-Bibliothek zu finden: „Das finde ich auch ganz wichtig für die eigene Produktion. Man sollte eben den Zeitgeist der Musik erkennen und sich nicht komplett isolieren.“ Aktuell laufe bei ihm täglich die kanadische Band BRAIDS, ab und an auch das neue Sebastian Tellier-Album und auch die neue Scheibe von David Bowie.
Einmusika als zusätzliches Standbein
Wer Musik hören zu seinem Beruf macht, ist auch von Musikbemusterung nicht weit weg. Mit „Einmusika“ wagte Kindermann den Schritt ins harte Labelgeschäft und erschuf sich damit ein neues „Baby“. Anfangs nur, um eigene Tracks zu releasen, später dann, um neue Künstler zu finden. Da gibt es gleich einen Tipp für den Nachwuchs: „Ich höre Musik, die sehr emotional ist. Und muss sagen, von 20 Demos ist halt nur etwa eines cool. Der Ausschuss ist wahnsinnig groß, weil einen so viele Künstler anschreiben, deren Sound nicht zum Label passt.“
Selbst hatte der gebürtige Hanseat natürlich auch mal klein angefangen. Das erste Release auf Italic war der Startschuss seiner Karriere. Bei diesem Label fühlte er sich auch wohl: „Ich habe lange auf Italic veröffentlicht und das war immer richtig cool. Es war eine gute Zusammenarbeit die fruchtbar war. Irgendwann hat das Label eine andere Richtung eingeschlagen, die nicht mehr so zu mir gepasst hat.“
Treu ist er der Musik aber auch nach dem Weggang von Italic geblieben. „Musik ist der Grund, warum ich auf Tour gehe. Ich bin kein Livemusiker, ich bin Studiomusiker. Ich gehe total auf, wenn ich Zeit und Raum habe und eine tolle Akustik herrscht. Das ist einfach das Höchste für mich.“ Auch die nächsten 10 Jahre will er mit diesem Antrieb noch voll machen. Das sagt der 35-Jährige zumindest heute.
Holt euch hier das aktuelle Einmusik-Album “10 Years”: