Wer Musik von Dominik Eulberg seziert, verliert sich in seiner Tiefe. In emotionalen und stimmungsvollen Landschaften, die irgendwo an einem See im Westerwald entstehen. Doch der musikalische Tiefgang beschränkt sich nicht nur auf die Klänge der Eule. Auch als Person beweist der 37-Jährige, wie viele weitere Schichten sich unter dem Blondschopf verstecken.
Gelegenheit macht Liebe, Diebe und manchmal auch ein Interview. Was lediglich ein privates und lockeres Gespräch während einer Autofahrt war, darf nun das Licht der Welt erblicken. Jüngere Fans von Dominik Eulberg nehmen den Act meist als naturverbundenen elektronischen Künstler wahr, dessen Sounds sowohl den Techno als auch den House streifen. Doch in der fortgeschrittenen Generation ist er eher der SWR- und WDR-Fernsehreporter.
An diesem späten Samstag landet die Eule um 22.30 Uhr am Flughafen in München. Er kommt von einem Gig in Utrecht. Der Flieger aus Amsterdam hat leichte Verspätung und der Eulberg ein wenig Hunger. Erst geht es über die kilometerlang wirkenden Gänge des Flughafens. Würstchen wären jetzt ganz gut, denn beim Essen ist Dominik Eulberg gerade enthaltsam – muss er aus privaten Gründen auch sein. Dann also lieber Würstchen. Passt irgendwie zu ihm – “Würstchen”, das klingt so wie seine Tracks namens „Der Buchdrucker“, „Spülsaum“ oder „Noch ein Bass im Ärmel“. Total bodenständig, irgendwie unaufgeregt und dennoch sehr speziell.
Der Traum vom Haus am See
Privat wohnt Dominik Eulberg wieder im Westerwald, seiner alten Heimat. Nach einiger Zeit in der Stadt war der Wunsch nach Natur vor der Haustür doch größer als der urbane Lifestyle und das Leben am Puls der Zeit. Zu oft war er außerhalb der Stadt in Wald und Wiesen unterwegs. So wurde es letztlich wieder ein großes Haus am See. “Ich kenne dieses Haus. Ich hatte damals schon zu meinem Bruder gesagt, dass ich mir vorstellen könnte, da zu wohnen“, sagt der 37-Jährige. Zeitlich passend war genau dieses Haus zum Verkauf gestanden. Mit seiner damaligen Lebensgefährtin und ihrem Kind, kaufte er das Anwesen. Die Beziehung zerbrach, das Haus blieb. Dieses Haus inmitten der Natur mit einem See vor der Tür wird zum kreativen Zentrum des reflektierten Musikers. Nebenan wohnt Gabriel Ananda in einer Holzhütte im Wald, auch Tim Engelhardt von Poker Flat Recordings tummelt sich irgendwo in der Gegend. Ein perfekter Platz um zu Entspannen und seine Liebe zur Natur auszuleben. „Ich bin fast jeden Tag draußen unterwegs, aktuell arbeite ich beispielsweise an einem Erklärstück zu verschiedenen Vogelstimmen, wie man sich diese Stimmen merken kann“, verrät die Eule. Für Ornithologie interessierte sich schon damals der kleine Dominik, später wurde er zeitweise ein Nationalpark Ranger und konnte hier sein Wissen im Tierreich ausweiten. Nebenzu entsteht auch ein Buch, das Eulberg gerade schreibt.
Dominik, der Fernsehonkel
Diese schon früh entwickelte Affinität zur Vogelkunde und Fauna bringt die Eule auf die Mattscheibe. Für den WDR und SWR ist der Westerwälder unterwegs und liefert hier Erklärstücke zu Fragen der Natur. Sein Know-How ist umfassend, er weiß über verschiedenste Insekten die detailreichsten Geschichten. „Manche Schmetterlingsarten beispielsweise brauchen gar kein Futter mehr. Sie leben ein Prozent ihres Lebens als Schmetterlinge, teilweise verbringen sie Jahre davor als Raupe. Der Schmetterling ist nur das schöne Endstadium eines Lebens, das dann manchmal nur wenige Tage dauert“. In dieser Zeit paaren sich Schmetterlinge, damit neue Raupen entstehen können. Die Erforschung dieser oft so unbedeutend scheinenden Dinge machen aus dem Mittdreissiger eine Berühmtheit. Für diesen wichtigen Teil seines Lebens und eine seiner Passionen ist Eulberg auch zum Erfinder geworden.
Insektenhotel made by Eule
Er ist ein Tüftler, ein Bastler. Ein in sämtlichen Baumärkten verbreitetes und etwas verrücktes Produkt ist ein Patent von Dominik Eulberg, das von einem großen Vogelhaushersteller vertrieben wird. Hier entwickelte er ein Insektenhotel samt Hotelbar. Ein quadratischer Kasten ist das, mit Einfluglöchern. Dominik Eulberg hat ein Foto auf seinem Handy dabei. In einen offenen Bereich im Insektenhäuschen kann ein Smartphone für Fotos ausgerichtet werden. Fotografiert werden dann die verschiedenartigen Insekten, die sich an der Bar bedienen. Als Drinks werden hier Honig- und Zuckerwasserlösungen bereitgehalten, die je nach gewünschter Insektenart verändert werden können. Klingt ein bisschen wie schönes Nachtleben für kleine Flattermänner. Auch das ist Dominik Eulberg, der Erfinder.
Kunst als neues Hobby
Wie macht er das alles, frage ich mich? 5 Uhr aufstehen, in den Wald, danach Musik, dann basteln, dann schlafen um 2 Uhr nachts? Eulberg dementiert: „Eigentlich bin ich ein ganz fauler Mensch. Die meisten Projekte sind Langzeitprojekte und ich mache immer gerade das, auf was ich Lust habe und so viel, wie ich Lust habe. Ich schlafe normalerweise so bis 1 Uhr mittags“. 10 Stunden Schlaf gönnt sich der Künstler, auch das ist mit 37 Jahren eine sicherlich nicht ganz gewöhnliche Eigenschaft. Ein neues Hobby und gleichzeitiges Projekt ist derzeit die Kunst. Er zeigt eine kugelförmige riesige Lampe aus kleinen Holzstückchen, die er innerhalb eines Jahres gebastelt hat. Sie wirft ein irres Licht, ähnlich der einer Diskokugel an die Wand. Sieht gut aus, steht überwiegend bei ihm zuhause rum und dekoriert seine Wohnung. Qualität toll, Vermarktung sicherlich möglich.
Wo bleibt Zeit für die Musik?
Der Tausendsassa ist an so vielen Fronten aktiv. Doch Zeit für Musik fehlt nicht. Aktuell sind wieder einige Dinge fertig geworden. Ein richtig großes Label wird dabei sein, das an dieser Stelle aber noch nicht verraten werden darf. Auch soll Ende des Jahres das erste eigene Label des 37-Jährigen entstehen. Der Name wird dabei inspiriert von einem der Lieblingsvögel des Künstlers sein – dem Mauersegler. „Der Mauersegler verbringt fast sein ganzes Leben in der Luft. Er schläft in der Luft, isst in der Luft und paart sich dort auch. Nach der Geburt fliegt er erst einmal direkt nach Südafrika“. Ein beeindruckendes Tier, das Eulbergs neues Label inspirieren wird. Die ersten drei Releases stehen auch schon. Doch „Öko-Techno“ wird es dort nicht nur geben. Schon bei dem Begriff verdreht die Eule ein bisschen die Augen. Wahrscheinlich zu oft gehört, zu viel Zitat aus Wikipedia, zu viel Schublade für einen Sound, der nicht Öko ist, sondern lediglich viele Samples aus der Natur beinhaltet, die oft vollkommen verfremdet irre neue Klänge bilden.
Bringt die Eule neue Musik, muss aber nicht nur das passen, was durch den Kopfhörer oder die Clubbox ankommt. Sein eigener Stil ist hier auch in Sachen Cover absolut bedeutend. Als Beispiel führt der Produzent sein Album „Diorama“ auf Traum Schallplatten an. Ursprünglich wäre es nach dem Label gar nicht so ein aufwändiges Artwork geworden – Eulberg bestand trotzdem drauf und engagierte auf eigene Kosten einen Grafiker, der das tierische Motiv mit einer Muschel im Gebirge und einer Robbe auf einem moosbeflechteten Felsen umsetzte. War nicht billig, das Endergebnis entsprach aber den Vorstellungen, die der Westerwälder nach monatelanger Arbeit an den Sounds im Studio hatte. „Ist ein Cover schlecht, wirkt auch die Musik schrottig“ – so die nüchterne Bilanz, die Dominik Eulberg zusammenfasst. Um künftig die völlige freie Entscheidung übe Musik und Cover zu haben, soll es das eigene Label werden. Und noch einen weiteren Vorteil gibt es: „Mit einem Label hast Du den Vorzug, auch Showcases mit eigenen Acts verbuchen zu können. Das ist einfach ein attraktiver Aspekt neben den reinen Releases“.
Hypnose und Meditation als Ausgleich
Das viele Reisen am Wochenende ist das perfekte Kontrastprogramm zum verschlafenen Westerwald. „Hier gibt es ja nichts, außer die Natur. Viele Spielhallen haben wir hier, nur wenig schöne Cafés wo man unter der Woche mal hingehen könnte“, gesteht Eulberg. Das vermisse er schon in seiner 180-Seelen-Gemeinde und den umliegenden kleinen Örtchen. Doch die weltweiten Bookings halten auf Trab, peitschen auf und ermöglichen immer wieder neue Erfahrungen und Situationen, zu denen das Wohnen inmitten unberührter Landschaft ein guter Ausgleich ist. Und noch einen weiteren Ausgleich gibt es im Leben des Vogelkundlers. Jeden Tag meditiert er und einmal in der Woche geht es zur Hypnose. Auch selbst hypnotisiert der DJ erfolgreich: „Es hat bisher bei jedem geklappt“. Hier ist es dem Künstler wichtig, die Reise in Selbst zu ermöglichen. „Stell Dir vor, wir reisen in Dein Ich und dort steht ein Stuhl mit Deiner Kontrollinstanz. Wer ist das?“. In den meisten Fällen säßen hier die Eltern oder nahe Bezugspersonen, so die Erfahrung des Technoproduzenten. Auch er selbst versucht sich bei seinen regelmäßigen Hypnoseterminen, immer wieder selbst auf diesen Stuhl zu rücken und die eigenen Schritte zu analysieren und zu kontrollieren. Hypnose und Meditation? Gute Stichwörter. 15 Minuten vor Ankunft beim nächsten Gig geht er nochmals in sich. „Ich kann überall meditieren und mache das vor jedem Gig, um dann zu wissen was ich spielen möchte und was ich vorhabe“. Wir drehen das Radio leise, die Eule kehrt in sich, nach 1 Stunde und 15 Minuten angeregter Unterhaltung herrscht: Stille. Und das gleichmäßige Brummen des Motors. Fast so sinnlich wie die Natur. Aber nur fast.